Menschen & Mando­li­nen — Steffen Trekel

Thilo Fitzner war bei Steffen Trekel in Hamburg

Steffen Trekel

Seine Mutter war Vorsit­zen­de und der Vater Kassierer der „Mando­li­nen­kon­zert­ge­sell­schaft (MaKoGe) Assindia 1919“ in Essen. Seinen ersten Mando­li­nen­un­ter­richt erhielt er bei einem Kontra­bass­spie­ler des Vereins. Nach einem halben Jahr wurde es profes­sio­nel­ler: Detlef Tewes, heute ein bekannter Mando­li­nist, einer der ersten Studenten für Mandoline an der Musik­hoch­schu­le Wuppertal und damals selbst erst 17 Jahre alt, übernahm den Unter­richt. „Ich habe Kurse besucht und hatte bei Marga Wilden-Hüsgen, der ersten Mando­li­nen­pro­fes­so­rin in Deutsch­land, schon vor dem Studium zwei Jahre Unter­richt. Außerdem spielte ich in mehreren Orches­tern: In der MaKoGe­Ass­in­dia, mehrere Jahre als Konzert­meis­ter im Landes­ju­gend­zupf­or­ches­ter NRW, gelegent­lich auch im Mülheimer Zupfor­ches­ter und im Dortmun­der Zupfor­ches­ter. “Dies war Anfang der 80er Jahre, als sich die Wupper­ta­ler Hochschu­le im Aufbau befand. Marga Wilden-Hüsgen unter­such­te neben der Geschich­te der Mandoline auch die Methodik für das Instru­ment. Sie sammelte alle aktuellen und histo­ri­schen Schulen. „Bei Detlef (Tewes) habe ich im Laufe der Jahre mit fünf verschie­de­nen Schulen gearbei­tet. Das war nicht immer stringent, hat mir aber in dieser Breite viel gebracht.“ Sein eigenes Studium in Wuppertal begann 1989. Dort lernte er Maren Trekel, seine spätere Frau kennen. Auch sie war hoch motiviert. „Wir hatten eine richtige Mando­li­nen-WG, wo wir von morgens bis abends gearbei­tet und geübt haben. Fünf bis sechs Stunden am Tag, davon zeitweise drei Stunden Technik. Es war eine sehr intensive Zeit.“ Er nutzte das Metronom mit sport­li­chem Ehrgeiz. „Wenn man technisch besser werden will, dann ist dies nichts anderes als sport­li­ches Training für Kopf und Finger.“ Nach dem Abschluss als Diplom­mu­sik­päd­ago­ge studierte er noch Musika­li­sche Früherzie­hung, bis auch seine Frau ihr Studium beendet hatte und sie gemeinsam 1996 nach Hamburg zogen. Dort hatte er die Möglich­keit, am Konser­va­to­ri­um eine eigene Mando­li­nen­klas­se aufzu­bau­en. „Das Konser­va­to­ri­um hat als privates Institut leider den Nachteil, dass man für das Studium recht viel Geld bezahlen muss. Darum sind es leider nie mehr als zwei bis drei Studie­ren­de gleich­zei­tig, obwohl es immer wieder inter­es­sier­te junge Mando­li­nis­tIn­nen gab, die Interesse bekun­de­ten, bei mir zu studieren.“

Im Laufe der Jahre lernte Steffen Trekel, über den mando­li­nis­ti­schen Teller­rand hinaus­zu­schau­en. Er merkte, dass die deutsche Mando­li­nen­spiel­welt etwas sehr Spezi­el­les ist. „Bestimmte Instru­men­te, ein relativ dickes Kunst­stoff­plek­trum und ein möglichst runder Klang – dies wird in der Mando­li­nen­welt als „Deutsche Art“ des Mando­li­nen­spiels bezeich­net. Alle anderen, so dachte ich, wissen es nicht besser.“ Das änderte sich Ende der 90er Jahre mit dem Erwerb einer Calace-Mandoline, die hervor­ra­gend von Alfred Woll restau­riert worden war. Er hatte sie aller­dings mit den damals gebräuch­li­chen Flach­draht­sai­ten bezogen. Trekel war anfangs von dem Klang sehr angetan, aller­dings „nach zwei Tagen war sie wie tot.“ Woll gab ihm den Rat, Runddraht­sai­ten zu verwenden. „Auf einmal ging das Instru­ment auf. Ich war sofort von dem Klang begeis­tert!“ Mit dünnerem Plättchen gespielt, einer Haltung wie Italiener oder Japaner, machte es ihm große Freude, auf dem Instru­ment zu spielen. Es klang für italie­ni­sche Musik authen­tisch und richtig. „Es gibt nicht richtig oder falsch – ich spiele die eine Musik auf dieser Mandoline, andere Musik auf jener.“ Steffen Trekel spielt die folgenden Instrumente:

Woll-Mandoline, Modell Seiffert
Raffaele Calace, Tipo n. 16b (siehe Bilder), Baujahr 1927
Barock­man­do­li­ne von Alfred Woll, Baujahr 2010 (Presbler-Nachbau von 1769)
seltener: Luigi Embergher, Modell N. 5, Baujahr 1904
seltener: Fratelli Vinaccia, Baujahr 1892

Trekel hat viele Kontakte nach Japan. 1994 machte er seine erste Konzert­rei­se dorthin. Vor Ort spielte er mit örtlichen Orches­tern oder Gitar­ris­ten zusammen. Auch mit dem Hamburger Gitar­ris­ten Andreas Pauly, mit dem er acht Jahre zusam­men­spiel­te, machte er eine Japan­tour­nee. „Kurz nach der Trennung von Andreas Pauly, rief mich der hervor­ra­gen­de und bekannte Gitarrist Michael Tröster an, ob ich mit ihm spielen wolle.“ Es entwi­ckel­te sich eine tiefe Freund­schaft und ein Duo, das für die besten musika­li­schen Erleb­nis­se sorgte. Es musste nicht jedes Detail bespro­chen werden, die Musik entstand durch das Spiel und lebte von der tiefen musika­li­schen Verbun­den­heit der beiden Musiker. Neben der kammer­mu­si­ka­li­schen Tätigkeit spielt Steffen Trekel regel­mä­ßig mit Sinfo­nie­or­ches­tern und in der Oper. „Es sind meist kurze Stellen, in der die Mandoline als besondere Klang­far­be einge­setzt wird. Prinzi­pi­ell mache ich das sehr gerne, wenngleich man sich als Musiker nicht wirklich entfalten kann. Man muss “funktio­nie­ren” und die Vorstel­lung der musika­li­schen Leitung umsetzen.“ Er leitet über zu dem Thema Zupfor­ches­ter und der Frage, wie man mit Transkrip­tio­nen umgehen soll. „Ich muss nicht die Fünfte von Beethoven mit einem Zupfor­ches­ter spielen. Wir haben ein Instru­ment mit eigenen Stärken.“ Und dafür gibt es Werke, welche für dieses Instru­ment geschrie­ben wurden und dessen Eigen­schaf­ten und Vorzüge betonen. Wenn ein Stück für ein anderes Instru­ment kompo­niert wurde, so täte sich die Mandoline schwer, ihre Stärken hervor­zu­he­ben. „Mit Bearbei­tun­gen machen sich die Zupfor­ches­ter selbst überflüs­sig. “Relati­vie­ren muss man dies in Epochen, in denen es keine ausrei­chen­de Literatur für Mandoline gibt, z. B. bei Orches­ter­mu­sik aus Barock und Klassik oder z. B. Solowerke für Barock­man­do­li­ne. Trekel hat vor kurzem Noten von Telemann heraus­ge­bracht, in der er Solo-Fantasien für Viola da Gamba auf die Barock­man­do­li­ne überträgt. Anders sieht er die Lage bei der Nachwuchs­ge­win­nung. Im Jugend­be­reich hält er die Mischung aus populärer und klassi­scher Musik für wichtig, um die Kinder und Jugend­li­chen für das Spielen zu interessieren.


Was Steffen Trekel begeis­tert, ist, wenn eine Kompo­si­ti­on alle Möglich­kei­ten des Instru­ments effekt­voll heraus­ar­bei­tet, wie zum Beispiel bei Werken von Keigo Fuji. Raffaele Calace muss bei einem Meister der Mandoline, wie Steffen Trekel, ebenfalls ein Thema sein, wird er doch von vielen wie folgt beschrie­ben: Er baute das optimale Instru­ment für die optimale Musik. Als wertvoll sieht Trekel die kleineren effekt­vol­len Werke an. Etwas zwiege­spal­ten steht er zu den Präludien. Sie sind sehr schwer zu spielen und präsen­tie­ren die gesamte Klang­viel­falt der Mandoline. Aller­dings sieht er Probleme in der Inter­pre­ta­ti­on der Werke. Es sei extrem schwierig, einen großen Bogen in die Stücke zu bringen, damit sie nicht nur eine Ansamm­lung kleiner, unzusam­men­hän­gen­der Teile sind. „Mit Deutscher Mandoline und dickem Plättchen kommt der Klang­rausch nicht zustande, weil der Oberton­reich­tum fehlt.“ Und wie steht es mit dem Tremolo? Carlo Aonzo, ein umtrie­bi­ger italie­ni­scher Mando­li­nist, rät, das Tremolo einfach wegzu­las­sen. „Ich bin aller­dings Freund der Authen­ti­zi­tät. Und genauso wie man Beethoven nicht tremo­lie­ren darf, sollte man Calace nicht ohne Tremolo spielen!“

Steffen Trekel

Womit ist Steffen Trekel gerade am meisten beruflich beschäf­tigt? Er widmet sich neben seiner Konzert­tä­tig­keit im Beson­de­ren der Jugend­ar­beit „Ich unter­rich­te viel, unter anderem in Musik­schu­len, in diversen Zupfer­klas­sen­pro­jek­ten an Grund­schu­len in und um Hamburg, leite die Nachwuchs­ar­beit des Norddeut­schen Zupfor­ches­ters (NZO) und leite das Nachwuchs­or­ches­ter des NZO, die “NZO-Youngs­ters”. Ein wichtiges Anliegen war und ist die ehren­amt­li­che Tätigkeit im Bund Deutscher Zupfmu­si­ker (BDZ). Steffen Trekel ist in einem Zupfor­ches­ter groß geworden, hat immer in Amateur­or­ches­tern gespielt und sieht dort die Basis der musika­li­schen Möglich­kei­ten der Mandoline. Genau wie die Violine nicht ohne Kammer- und Sinfo­nie­or­ches­ter vorstell­bar wäre, muss auch das Orches­ter­spiel immer existen­ti­el­ler Teil der Mandoline bleiben. Der BDZ ist der einzige und wichtige Verband für die Mandoline in Deutsch­land. Dementspre­chend engagiert sich Steffen Trekel seit über 20 Jahren als Musik­lei­ter des BDZ-LV Nord und agiert seit zehn Jahren als Bundes­mu­sik­lei­ter des BDZ.

Alle Fotos in diesem Beitrag: Copyright Dr. Thilo Fitzner

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