Menschen & Mando­li­nen — Marlo Strauß

Wen Sie schon immer einmal kennen­ler­nen wollten — heute: Marlo Strauß. Dr. Thilo Fitzner war bei ihm zu Gast

Als Marlo Strauß das Taktklop­fen des strengen Gitar­ren­leh­rers im Gymnasium zu viel wurde, gründete er eine Band und spielte darin E‑Gitarre und akusti­sche Gitarre. „Die lebendige Inter­ak­ti­on in der Band hat mir immer sehr gut gefallen.“

Er fand einen neuen Unter­richt, in welchem man impro­vi­sie­ren lernte, Blues spielte und der Lehrer trotzdem Wert auf gute Tonbil­dung legte. Fortan spielte er bis zum Abi in vielen und sehr guten Bands Rock, Pop und Bossa Nova – bis zu seinem entschei­den­den Erlebnis: Im Kölner Jugend­club Kriti­sches Theater wollte Heiner Müller das antike Drama „Prome­theus“ insze­nie­ren und suchte junge Musiker. Das Konzept war, dass der Chor von einer Band unter­stützt werden sollte, die genauso kostü­miert war wie die Gruppe KISS.

„Der Musik­di­rek­tor, der auch Stücke dafür kompo­nier­te, lud uns ein, ebenfalls zu kompo­nie­ren. Da habe ich die Ouvertüre für den „Prome­theus“ geschrie­ben. Die hier gemachten Erfah­run­gen führten zu dem Entschluss: das wird mein Beruf!“

Über die Aufnah­me­prü­fung an der Musik­hoch­schu­le Wuppertal berichtet er eine Anekdote: Nachdem er seine klassi­schen Pflicht­stü­cke absol­viert hatte, fragte ihn Professor Kreidler: „Haben Sie auch Kenntnis vom Jazz?“ Völlig unvor­be­rei­tet und perplex wegen dieser Frage spielte er die The Girl from Ipanema in einer eigenen Solo-Version.

„Im Refrain der zweite Akkord: Wissen Sie, was das für ein Akkord war?“ fragte Dieter Kreidler.Er wusste es. Und der Professor, begeis­tert, dass Strauß nicht nur intuitiv, sondern bewusst seine Akkorde gesetzt hatte, sprach das entschei­den­de Wort: „ O.k. wir nehmen Sie!“

Als Nebenfach studierte er Mandoline bei Detlev Tewes, bis sein Dekan bei der Abschluss­prü­fung im Nebenfach Mandoline  vorschlug, er sei so gut in Mandoline, dass er diese ebenfalls im Hauptfach studieren könne. „Den Umgang mit dem Plektrum war ich von der E‑Gitarre gewohnt und die Arpeg­gio­tech­ni­ken ergeben so wunder­schö­ne musika­li­sche Effekte. Man hört aus einer Mandoline in der Illusion drei Instru­men­te.“  „Nebenher habe ich als Instru­men­tal­leh­rer gearbei­tet und Literatur für Lernende verfasst, zum Beispiel „Burlesken für Mandoline Solo“, die recht erfolg­reich wurden. Ich hatte nämlich inten­si­ven Unter­richt in klassi­schem Notensatz genommen: Wer die Tradition nicht kennt, kann nicht die Moderne ergründen,“ resümiert er.

„Meine Schüler haben mich das Lehren gelehrt.“ Darum denkt er bei seinen Kompo­si­tio­nen häufig als Lehrer. „Mein Haupt­be­ruf ist Gitarre und Mandoline. Kompo­nie­ren betreibe ich als Hobby.“
Als Dozent wurde er in ein Fortbil­dungs­team einge­la­den und lernte dort seine spätere Frau, Profes­so­rin Marga Wilden-Hüsgen, kennen. Auf die Frage, ob es sinnvoll ist, zwei Zupfin­stru­men­te zugleich zu lernen, rät er dringend: Wenn jemand Mandoline studieren möchte, sollte er unbedingt Gitarre dazuneh­men. Wenn man zum Beispiel an eine Musik­schu­le geht, dann ist Gitarre ein Selbst­läu­fer. „Nebenher werden sich dann noch einige Mando­li­nen­schü­ler finden. Ich hatte in meiner Musik­schul­lauf­bahn immer 90% Inter­es­sen­ten für Gitarre und 10% für Mandoline. Außerdem hat man als Gitarrist das Plateau, die Mandoline zu bewerben. Durch die Verbands­ar­beit ist die Mandoline ein Instru­ment geworden, das sich zunehmend die Anerken­nung im allge­mei­nen Musik­le­ben erobert.“ Marlo Strauß spielt Mando­li­nen vom Seiffert-Typus, schätzt aber auch die alten Eichhorn- und Herwiga-Modelle.

Seit sie sich kennen­lern­ten musizie­ren Marga Wilden und Marlo Strauß gemeinsam „unter anderem im von Marga gegrün­de­ten AACHENER ZUPFMUSIKKREIS.“

Die Barock­man­do­li­ne war fester Bestand­teil der Ausbil­dung an der Hochschu­le und der Reiz dieses Instru­ments eröffnete neue musika­li­sche Wege. „Wir wollten die Barock­man­do­li­ne ästhe­tisch passend begleiten, und das ging nicht mit der modernen Konzert­gi­tar­re. So kamen wir zur Verwen­dung von Barock­gi­tar­ren und sechs­chö­ri­gen Gitarren und anderen Instru­men­ten wie Mandolone, Gambe und Barockcello.“

Im Jahre 2004 folgte die Gründung der CAPELLA AQUISGRANA. Hier kamen immer mehr alte Instru­men­te zum Tragen: Querflöte, Travers­flö­te, Vihuela, Barock­gi­tar­ren, Percus­sion Quinterne, Theorbe, Chitar­ri­no – alles, um mit alter Musik dem Publikum einen abwechs­lungs­rei­chen Klang zu präsentieren. 

In dieser Musik hat man Melodie und Beglei­tung. „Und wenn man liest, was die zeitge­nös­si­schen Autoren dazu geschrie­ben haben, dann ist es die hohe Kunst, die Stücke zu verfei­nern und stilis­tisch passend zu verzieren.“ Woher kennt man die damalige Art der Impro­vi­sa­ti­on? Wir wissen dies aus Notati­ons­bei­spie­len und Schul­wer­ken, „welcher Tugenden man sich als Musicus zu beflei­ßi­gen hat. Authen­ti­zi­tät ist nicht das alleinige Ziel.“

Das Ensemble kommt prima an, und die CDs sind sehr erfolg­reich, „weil wir nicht akade­misch musizie­ren, sondern auf dem Stand­punkt stehen, dass alte Musik peppig und voller Tempe­ra­ment sein kann. Man darf auch mitklop­fen. Jeder, der diese Musik hört, soll sie verstehen .“ 

Marga Wilden-Hüsgen sagte zu jener Zeit: „Wenn ich emeri­tiert bin, dann kann ich endlich wieder so viel spielen, wie ich will.“ Und Strauß ergänzt: „ Zwei Monate nach ihrer Emeri­tie­rung konnten wir die erste CD heraus­ge­ben. Jetzt 2021 versuchen wir  — coronabe­dingt — das Format WOHNZIMMERKONZERTE.“

Wo sieht sich Marlo Strauß in seinen Kompo­si­tio­nen als Speer­spit­ze? Siedelt er sich mehr im Bereich der Didaktik an? „Ich denke nicht konzept­mä­ßig. Wenn man zu sehr nachdenkt, wo man stehen will, dann ist man nicht mehr authen­tisch. Manchmal kommt die Kompo­si­ti­on zu einem, und dann kann man nicht mehr anders – leider auch manchmal zeitgleich mit großen Famili­en­fei­ern,“ lacht er. Und wenn sie dann in Nordhol­land im geliebten Ferien­haus sind, dann kommen die Inspi­ra­ti­ons­fun­ken. „Ich würde mich so beschrei­ben: Nicht als Mensch, der vom Kompo­nie­ren lebt. Sondern als Musiker, der auch sehr gerne komponiert.“ 

Email Adresse Marlo Strauß: marlo.strauss@web.de

Aachener Wohnzim­mer­kon­zer­te mit der Capella Aquisgrana

Hier geht es zu Website der Aachener Wohnzimmerkonzerten: 

Capella Aquis­gra­na (Bild copyright Bernd Schröder)

Alle Fotos in diesem Beitrag: Copyright Dr. Thilo Fitzner

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