Interview von Thilo Fitzner mit Caterina Lichtenberg und Mike Marshall, aus dem Zupferkurier Nr. 3/2018
Caterina Lichtenberg und Mike Marshall
Caterina Lichtenberg © hat weltweit die einzige Professur (Lehrstuhl) für Klassische Mandoline. Seit dem Wintersemester 2017/18 unterrichtet Mike Marshall (M) im Lehrauftrag das Fach „The art of groove, rhythm, harmony and improvisation“. Die beiden sind verheiratet, haben gemeinsam zwei Töchter und leben in Wuppertal. Sie hat 12 CDs veröffentlicht, er 19. Davon sind 3 gemeinsam entstanden. Die aktuelle CD heißt „Third Journey“.
Battaglia per il Mandolino — der Kampf für die Mandoline bringt mich her. Ihr werdet normalerweise eingeladen von Leuten, welche die Mandoline mögen. Da gibt es eine lebendige Szene. Aber zumindest in Süddeutschland sterben die Vereine aus und leiden. Was können wir tun?
M Da haben wir einige Ideen.
C es ist auch sehr wichtig, die Mandoline außerhalb der Szene bekannt zu machen. Wir spielen an vielen Plätzen, wo man die Mandoline liebt, aber auch an vielen Orten, wo man sie noch nie gehört hat. Und dann beginnen die Leute, die Mandoline zu lieben.
Immer?
C Immer!
M Wenn Du Caterina spielen hörst – wie könnten sie nicht?
C Besonders wenn wir zusammen spielen…
M … und die beiden Welten zusammenbringen. Wenn die klassische Mandolinenszene wachsen will, dann muss sie ihre Arme öffnen für ein weiteres musikalisches Konzept. Und zwar ein Konzept der Mandoline, wie es sich in der gesamten Welt entwickelt. Es gibt Mandolinentraditionen auf der ganzen Welt. Was die Mandoline braucht, ist, alle diese verschiedenen Stile zu „umarmen“…
C … ohne dabei ihre eigene Identität, die der klassischen Mandoline zu verlieren. Denn die klassische Mandoline ist so schön und so reich an Klang und Repertoire. Ich glaube, es macht sie sogar stärker, …
M …wenn du die Verbindung zu den anderen Stilen siehst.
C Es ist, wie wenn du dein Land verlässt und in einem anderen Land lebst. So bekommst du ein genaueres Gefühl für dein eigenes Spiel.
M Das ist wahr. Als wir uns kennenlernten, hatte wir Catarina eingeladen, bei dem Mandolin Symposium in Santa Cruz vor 125 Mandolinisten mit 10 Lehrern zu unterrichten. Jeder Unterrichtende hat einen total unterschiedlichen Stil von Mandoline. Dies war ein Konzept, welches viele Unterschiede unter einem Dach vereinte. Es zeigte: die Mandoline ist ein World-Instrument. Wir hatten brasilianische Mandolinen, irische, Blues, Jazz, Bluegrass natürlich, welches vorrangig in USA heute gespielt wird, und wir hatten Caterina. Und wenn man Caterina gehört hat, unmittelbar nachdem eine Bluesmandoline gespielt hatte, oder eine brasilianische Mandoline: Das war unglaublich inspirierend! Für mich war es eine neue Welt! Es gab eine Explosion in mir! Alle diese Stile nebeneinander zu erleben, führte zu einer höheren Hochachtung von jedem einzelnen Typus. C Die klassische Mandoline hat eine Geschichte von über 300 Jahren, und für die Leute in Amerika zu sehen, woher ihr Instrument herkommt, …
M …sie waren geschockt.
C Sie kannten diese Verbindung nicht. Ich komme aus der klassischen Mandolinentradition in Deutschland und kannte die Mandoline in Italien, Spanien, in Frankreich, in den Niederlanden, in Norwegen und Finnland und ich kannte auch die klassische Mandolinenwelt in Japan, welche im Repertoire und im Klang sehr nahe an der italienischen Mandolinentradition ist.
Und nun wandelt sich die Szene, weil der Austausch zwischen den Ländern viel stärker ist. Aber bereits zu meiner Zeit als Studentin gab es in unserer Klasse Studenten, die aus anderen Ländern kamen, auch aus Japan. So gibt es zum Beispiel Studenten, die in Wuppertal studiert haben und die Wuppertaler Schule wiederum nach Japan tragen und dort dann unsere Instrumente spielen, wie wir sie hier kennen: Seiffert‑, Woll‑, oder Knorr-Modelle. Und sie nehmen auch die Technik und die Klangästhetik mit.
Im Jahr 2007 sah ich dann diese neue USA-Mandolinenwelt, die so anders und so unglaublich cool und in der Pop- und Jazzwelt so stark vertreten ist. Meine Welt war bis dahin sehr klassisch und stark historisch-rückblickend, und auch die modernen Kompositionen hatten eine klassische Klangästhetik. Wenn man in Amerika das Radio anschaltet, hört man sofort: Mandoline! Weil sie in Folk Music und Bluegrass stark vertreten ist. Es ist DAS Instrument in den USA und wird mehr von Männern gespielt
Foto copyright Thilo Fitzner
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Ach so, und hier wird die Mandoline eher von Frauen gespielt?
C Jetzt nicht mehr, aber als ich studierte war der Frauenanteil überwiegend, während es in Italien überwiegend männliche Vertreter der Mandoline gab. Auch in Brasilien ist es eher eine Männerdomäne.
M in Amerika waren alles Männer
C Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in den USA auch die Mandolinenorchester ausschließlich mit Frauen
M So war es in den USA: lauter Dickbauchmandolinen. Aber als GIBSON mit den Flachbauchmandolinen den Markt übernahm, änderte sich das. Sie haben an jeden Spieler eine Gibson verkauft mit dem Argument, die Dickbauchmandolinen sind altmodisch, sie müssen verschwinden. Sie waren sehr brutal in ihren Werbefeldzügen. Um 1915 hat niemand mehr Bauchmandoline gespielt.
Als um 1922 der Jazz populär wurde, starben die Mandoline und ihre Orchester aus. Mandolinenmusik galt als altmodisch und Jazz war hip. Für Jazz war die Mandoline nicht laut genug. Folglich spielten viele der guten Mandolinisten Tenor Banjo – wegen der Lautstärke und weil es die selbe Stimmung hatte wie die Mandoline. Diese Leute konnten Noten lesen wie die klassischen Spieler. Ihre Mandolinen endeten in Trödelläden für die Armen. Und diese wiederum spielten dann Country Music in frühen String Bands – das betrifft sowohl die Gibsons als auch die Dickbauchmandolinen.
C Auch hier war es so: Die Mandoline war um die Jahrhundertwende die sogenannte Geige des kleinen Mannes, während sie im 18.Jh das Instrument des Adels war. Aber irgendwie haben wir es in Deutschland geschafft, die Tradition des klassischen Mandolinenorchesters aufrecht zu erhalten.
M Dies ist für mich interessant. Es kommt bestimmt daher, weil in Deutschland Musikerziehung vom Staat gefördert wird. Wir haben keine solche Unterstützung in Amerika. Alles ist alles privat.
Die Israelis starteten auch mit billigen Flachbauchmandolinen, denn alle wollten Beethoven und Mozart auf einer Violine spielen, aber diese war zu teuer.
M Mandoline wurde zum Folk Instrument nach dieser Periode. Farmer, arme Leute spielten sie ohne Noten lesen zu können. Fiddle Music für den Samstagabend Square Dance. Auch viele Schwarze spielten die Mandoline im Blues, wofür sie sie billig kaufen konnten.
C Bei uns startete in den 60-er Jahren die Wiederentdeckung der originalen Werke, und man begann sich mit der Geschichte des Instruments auseinanderzusetzen: Konrad Wölki in Berlin, Vincent Hladky und Maria Hinterberger in Österreich, später auch Kollegen in Frankreich und Italien und dann in den 70ern Marga Wilden-Hüsgen, die sehr hohe Verdienste in der Wiederentdeckung der originalen Spieltechnik, der Literatur und dem Spiel auf historischen Instrumenten hat.
Ich habe die Mandoline schon immer sehr geliebt. Aber sie war für mich bis zu der Begegnung mit Mike stets verbunden mit einer bestimmten klassischen Literatur. Ich konnte mir nie vorstellen, dass man auf der Mandoline Blues spielt.
Du bist zwar in der DDR aufgewachsen, aber dennoch bürgerlich.
C Meine Eltern haben zuhause viel klassische und barocke Musik gehört. Wenn meine Mutter mit meinem Bruder Klavier geübt hat, saß ich auf ihrem Schoß. Ich bin nicht in der Zupforchestertradition groß geworden, spielte aber wöchentlich an der Musikschule in einem Zupforchester. Die stilistisch andere Musik, sogenannte U‑Musik habe ich damals nie auf der Mandoline gespielt, sondern immer nur auf der Gitarre oder auf dem Klavier.
Also ausgelagert. War dies bewusst?
C Nein das war unbewusst, einfach natürlich. Und später, als ich nach Wuppertal kam, habe ich das, was dort gelehrt wurde auf der Neapolitanischen und auf der Barockmandoline unglaublich toll gefunden! Die Begegnung mit Mike hat meine klassische Identität sogar noch mehr verstärkt. Seit Mike weiß ich noch viel mehr, wer ich bin.
In der religiösen Identität ist es ähnlich: Wenn Du als Protestant mit Katholiken zusammenkommst – oder umgekehrt – dann weißt Du viel genauer, wer du bist.
C Ja, und wenn Du als Deutscher im Ausland lebst, dann verstehst Du plötzlich, was deutsches Essen, deutsches Benehmen oder deutscher Humor ist und Du wirst Dir Deiner Identität bewusst. Das Reisen ist etwas sehr Positives und Bereicherndes. Und bei der Musik verhält es sich ähnlich: Das Kennenlernen anderer Stilistiken ist auf jeden Fall bereichernd und fördert die musikalische Identitätsfindung.
Also vielleicht entwickelt ihr den Lehrstuhl noch in neue Richtungen.
C Nicht den Lehrstuhl, aber vielleicht erweitern wir das Angebot neben dem klassischen Hauptschwerpunkt – sodass das Instrument weiter gefördert wird und die Studierenden sich für ihre Zukunft stilistisch breiter aufstellen können – je nach Interesse.
Und auch umgekehrt. Wir bringen unsere klassische Mandoline in USA. Auch für Mike ist die Barockmandoline ein Ohrenöffner…
M Ja, die Amerikaner sehen das und können es gar nicht glauben. Es ist so aufregend für sie.
C Die Jazz- und Bluegrass-Spieler werden nicht zu klassischen Musikern, aber sie spielen eventuell jetzt auch mal ein klassisches Stück, was sie früher nie gemacht hätten.
M Jedes Mandolinenland hat eine Mandolinenszene. Und diese ist äußerst rigide mit ihren Ideen, was richtig ist. Sie haben ihre Heroen und sie spielen deren Musik. Aber jetzt siehst Du, wie alle diese Plätz sich öffnen.
Dies ist eine Entdeckung? Kein absterbender Prozess?
M Ja, in Amerika war die Mandoline ein klassisches Instrument, dann wurde sie ein Folkinstrument. Dann wurde die Technik immer mehr verfeinert. Und nun hast Du Leute, wie Chris Thile oder David Grisman. Sie repräsentieren eine Art des Spielens, geben eine Richtung, in welcher ihnen die Leute folgen.
Wie Chris Thile sagt: es geht um das Musikersein und nicht um das Genre.
M So kommen sie zu unseren Camps, sehen Caterina, sehen uns zusammen Bach spielen, und sagen: „Oh das möchte ich auch!“
C Unsere deutschen Mandolinen sind eher für akustische Räume gedacht und nicht für das Spiel mit Mikrofon. In Mikes Szene ist das anders. Und nun treffe ich Amerikaner, die sich plötzlich eine Barockmandoline kaufen. Das finde ich super. …Die Tendenz geht zum Zweit- oder Drittinstrument.
M Als die Gibson in den Händen von Hillibillies war und sie begannen, Groove Musik zu spielen, da entdeckten sie, dass ein Carved Top Instrument mit F‑Löchern super gut für Rhythmik ist. Caterina hat recht: Es wird nicht sehr weit in einer Konzerthalle tragen. Es hat nicht so viele Obertöne, welche bei dem klassischen Instrument den Ton projizieren. Aber an einem Mikrofon da klingt die F‑Loch-Mandoline sehr fett.
C Mike und ich sind mit unserem Instrument verbunden – jeder spielt sein eigenes. Ich käme nie auf die Idee, jetzt eine Flachbauchmandoline zu spielen. Nur als ich hoch schwanger war, habe ich mir Mikes Flachbauch ausgeliehen… Aber wenn ich mehr Zeit hätte und abends jammen würde, dann wäre eine Flachmandoline authentischer.
M In der Zukunft wird man dies öfter finden. Wie bei den Violinisten. Diese haben auch zwei Instrumente: Eine moderne und eine barocke. Oder einige meiner Studenten spielen ein brasilianisches Instrument. Es ist sehr laut – gut für das Zusammenspiel mit Schlagzeug. Man merkt, dass dieses Instrument für diese Musik gebaut ist. Was kam zuerst? Die Musik oder das Instrument?
Wie denkt Ihr über Elektrische Mandolinen?
C Warum nicht? Ich spiele keine, aber ich habe eine bestellt bei einem ehemaligen Studenten von mir… Einfach um so ein kleines Mandolinchen zu haben. Es erfordert jedoch wieder eine andere Art, dieses Instrument zu spielen. Meinen Studenten versuche ich näher zu bringen: Man kann nicht überleben, wenn man nur eine Sache kann. Man muss sich für den Berufsalltag mit Unterrichten und Konzertieren so breit als möglich aufstellen.
M Die elektrische Mandoline ist nicht an meinem Herzen angekommen.
Die meisten leben von der Gitarre, aber sie unterrichten auch die Mandoline. Die Gitarrenindustrie produziert jede Menge Werbung – und die Mandolinenindustrie macht schlicht weg nichts.
C In Amerika ist das anders.
M Da gibt es eine Akustikszene.
C Die akustische Mandoline ist unmittelbarer. Du hast die direkte Kontrolle über die Tonerzeugung.
M Die Lautstärke war in der Tat eine Angelegenheit, weswegen man elektrische Verstärkung benötigte, wie man in der Geschichte gesehen hat. Ich habe darum einen Pickup, mit dem ich – auf meinem Instrument – sehr laut spielen kann.Vielleicht ist die Barockmandoline aus ähnlichen Gründen verschwunden: Sie war zu leise, als die Orchester lauter wurden.
C Dann entstand das Tremolo und die Metallseiten, damit es lauter wird und die Emotionen deutlicher werden. Heute liebt man auch wieder die intime Atmosphäre. Es gibt eine umgekehrte Entwicklung von laut zu leise. Die Mandoline und besonders die Barockmandoline ist dank ihrer Tonerzeugung sehr geeignet die Seele des Zuhörers zu berühren
M Ich habe die intensivste Erfahrung zusammen mit Caterina in einer Kirche gemacht ohne Verstärkeranlage. Darum liebe ich die akustische Musik. Die Zuhörer müssen leise sein und zuhören. Und ab dem dritten Stück finden sie es laut… Du hörst mehr Details, wenn es leise ist. Intimität ist intensiv!
Als ich 12 Jahre alt war, habe ich den Bluegrass entdeckt. Ich war richtig begeistert von der Musik. Keiner in meiner Familie spielte ein Instrument. Als ich Jahre später meinen Großvater besuchte, — er saß auf der Couch, ich kam mit meiner Bluegrass-Mandoline rein – fragte er. „Was ist das? Das ist aber keine Mandoline. Ich habe Mandoline gespielt.“ Er meinte die Dickbauchmandoline und für ihn war meine Gibson keine richtige Mandoline.
Niemand hatte mir das Notenlesen beigebracht. Und dennoch haben wir eine spontan eine Band gegründet. Ich habe also zeitgleich gelernt: Musik gibt es auf Papier und über das Ohr durch die Gemeinschaft. Diese Beobachtung setzte in mir den Glauben fest: Beides hat seinen Wert. Danach habe ich mir selbst Vieles beigebracht und begann zu unterrichten.
Also Lernen durch Lehren?
MJa. In einem Musikladen habe ich während meiner gesamten Highschoolzeit unterrichtet. Das Musikgeschäft ist in Amerika der typische Ort, wo man Musik lernt, denn wir haben keine Musikschulen.
Schließlich haben meine Eltern mir eine „Hütte“ gemietet, wo ich unterrichtete und Jam Sessions anbot. Man musste es sich selber beibringen. So habe ich jedes Buch gekauft, das ich finden konnte.
Caterina, was haben Deine frühen Lehrer mit Dir gemacht, dass Du so geworden bist, wie Du geworden bist
C Alle Lehrer haben mich sehr gefördert und auch geliebt. Liebe ist auch ein sehr wichtiger Faktor. Ich habe ganz klassisch in der Musikschule Mandoline gelernt und wurde früh gefördert. In der DDR hat man ja Talente sehr gefördert. Es war relativ schnell klar, dass ich Mandoline studieren wollte, und da man diese nicht im Hauptfach studieren konnte, habe ich mit 11 Jahren Gitarre und Klavier dazu genommen. Später nahm ich Unterricht in Jazz-Gitarre, da ich einen Bruder habe, der Jazz zuhause machte. Das Thema der Bühnen-Angst kommt mir hier in den Sinn und es war immer ein Punkt der mich beschäftigte. Im Jazz darf man auch einmal eine falsche Note spielen, die dann als Bluenote in eine andere Richtung umgedeutet werden kann. Durch das Improvisieren hat man ja viel mehr Freiheiten. Man lernt dadurch, keine Angst vor Fehlern zu haben und dass Vorspielen etwas Schönes ist. Das versuche ich auch an der Hochschule trotz klassischer Musik mit meinen Studenten zu praktizieren: Dass man beim Spielen nicht nur an die Richtigkeit der Noten denkt, sondern vor allem an das was man ausrücken möchte.
Hast Du die Stücke vorgegeben oder die Lehrerin?
C Die Lehrerin! Und die Mandolinenschule. Dazu kamen dann jede Menge kleine Konzertauftritte.
In meinem Elternhaus gab eine große Offenheit für jede Art von guter Musik:Die Großeltern in der unteren Etage hörten den ganzen Tag Oper, auf der ersten Etage hörten meine Eltern Barockmusik und Klassik, und oben lebte mein Bruder mit Jazz. Alles in einem Haus und zeitgleich!
M So haben wir uns gefunden, wenn auch auf total verschiedenen Wegen!
C Ja, ich habe als Kind auch viel nach Gehör gespielt. Couperin sagt, dass die Schüler auch nach dem Ohr lernen sollten.
Ich habe mich auch danach gesehnt, so wie mein Bruder, ganz frei Musik zu machen – zu improvisieren. Ich habe dann mit 17 Jahren eine kleine Gruppe gegründet, mit zwei Gitarristen, und sogar einen Berufsausweis erhalten, der mir die Erlaubnis gab, öffentlich sogenannte Unterhaltungsmusik spielen zu können, allerdings auf der Gitarre – nicht mit der Mandoline.
1990 begann ich mein Mandolinenstudium in Wuppertal und da ging es wieder ganz klassisch zu. Ich studierte bei Marga Wilden-Hüsgen Mandoline und bei Alfred Eikholt Gitarre und wandte mich wieder ganz von der Unterhaltungsmusik ab.
M Das gibt es in USA nicht, diesen Unterschied zwischen E- und U‑Musik! Die Grenzen hier sind fließend.
Wie denkt ihr über Calace?
C Ich liebe Calace! Für mich ist Calace technisch anspruchsvoll – und er ist für mich der Romantiker schlechthin. Wenn Du Calace spielst, dann solltest Du seine Musik wie eine Oper auffassen und spielen: Hier ein Chor, dort ein Solo des schmachtenden Liebhabers…dort das Tutti… usw. Die Geschichte hinter der Musik hilft bei der Interpretation und dabei hat mir das Hören von Opern geholfen.
Ein Musiker sagte: das Tremolo nervt die heutigen Zuhörer.
C Ach ja? Oh, ich denke das kommt darauf an, wie man es spielt. Nur rum-schrammeln kann natürlich nerven – das gebe ich zu. Aber wenn man die ganze Palette von Tremolieren beherrscht: ganz langsam, ganz zart oder dass man Melodiebögen in Tremolo und angeschlagene Töne unterteilt, dass man dynamische Spannbreiten ausschöpft, die Geschwindigkeit des Tremolos wechselt usw.… das Alles ist hohe Kunst und eine Herausforderung für jeden Mandolinisten.
Also es kann gar nicht nerven!
C. Wenn man es gut macht nicht. Aber es hängt sicher auch vom persönlichen Musikgeschmack ab.
Professorin Caterina Lichtenberg, Mandoline, Hochschule für Musik und Tanz Köln am Standort Wuppertal
Michael Marshall, lehrt an der Hochschule für Musik und Tanz Stilistische Erweiterung am Standort Wuppertal.
The Art of Groove , rhythm, harmony and improvisation for all instruments.