Dr. Alexander Becker — Vizeprä­si­dent des BDZ Baden-Württemberg

DAS PRÄSIDIUM DES BDZ BADEN-WUERTTEMBERG  –  HOHE FACHKOMPETENZ

Dr. Alexander Becker bei seiner Antritts­re­de im Landtag Baden-Württemberg

Ich komme aus einem musik­be­geis­ter­ten Eltern­haus und wurde entspre­chend früh gefördert: Seit meinem 6. Lebens­jahr spiele ich Mandoline, mit zwölf habe ich den Kontra­bass für mich entdeckt.
Ins Kinder­or­ches­ter meines Vereins kam ich 1979, also mit sieben Jahren, später ins Jugend‑,dann ins Haupt­or­ches­ter. Ende der 1980er-Jahre habe ich begonnen, mich als Mando­li­nen­leh­rer und später als Dirigent mit um die Jugend­aus­bil­dung zu kümmern. Etwa ab dieser Zeit habe ich auch Aufgaben in der Vereins­ver­wal­tung übernom­men. Im BDZ bin ich seit zwanzig Jahren in verschie­de­nen Gremien dabei – zunächst als Vorsit­zen­der des früheren Landes­be­zirks Baden.

Alexander Becker am Harmonium von Max Reger

Besonders gerne bringe ich mich bei konzep­tio­nel­len Fragen ein, das bringt vermut­lich auch mein Beruf als Forscher am Max-Reger-Institut in Karlsruhe* und als Landes­po­li­ti­ker mit sich. Ich finde aber auch, dass die profanen Fragen der Vereins­ver­wal­tung und Verbands­or­ga­ni­sa­ti­on – von Gremi­en­sit­zun­gen und Regula­ri­en über Ehrungen etwa zu Förder­fra­gen – wichtig sind und Aufmerk­sam­keit verdienen. Es ist heute nicht selbst­ver­ständ­lich, dass man z.B. zu einer Mitglie­der­ver­samm­lung geht, auch wenn man kein konkretes persön­li­ches Anliegen hat.

Max Reger an der Orgel

Viel Freude bereiten mir die Begeg­nun­gen mit Musikern aus aller Welt ein – das jährliche Festival in Logrono etwa oder die Musik­fes­te des BDZ. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Die dreiwö­chi­ge Orches­ter­rei­se des JZO nach Brasilien 1997. Fast zwanzig Auftritte zum Teil mit örtlichen Ensembles und vor allem viel Fahrtzeit durch dieses riesige Land. Es war sehr anstren­gend, jede Assozia­ti­on mit Traum­ur­laub wäre falsch, aber die Begeg­nun­gen und Eindrücke waren und bleiben großartig!

Die Gitarre ist populär und wird populär bleiben. Der Mandoline fehlt dagegen ein Stück weit die Präsenz, sie besetzt eher eine Nische. Das wird so bleiben. Wichtig wäre hier aber ein breiteres und durchweg profes­sio­na­li­sier­tes Ausbil­dungs­an­ge­bot, natürlich mit Anbindung an eine Hochschu­le und an die Musikschulen.
Denn die Anfor­de­run­gen an die Vereine wachsen. Eltern erwarten eine moderne Förderung und Ausbil­dung auf profes­sio­nel­lem Niveau. Das ist nicht überall und immer leistbar. Und vor allem nicht zum Nulltarif. Wir brauchen die Zusam­men­ar­beit mit den örtlichen Musik­schu­len bezie­hungs­wei­se mit profes­sio­nel­len Musik­päd­ago­gen. Die Eltern müssen wissen, dass ihre Kinder bei uns Freude erleben, etwas lernen und insgesamt gut aufge­ho­ben sind. Drunter geht es nicht.

Klar ist: Der gesell­schaft­li­che und demogra­phi­sche Wandel macht vor niemandem halt. Wenn Jahrgänge kleiner sind, reduziert sich die Zahl der zur Verfügung stehenden Kinder und Jugend­li­chen rein rechne­risch. Dann gibt es ein geänder­tes Verständ­nis von Schule, Bildung und Betreuung. In vielen Haushal­ten müssen und wollen beide Eltern­tei­le arbeiten. Die Famili­en­ver­bün­de mit Onkel, Tante und Großel­tern im selben Ort werden seltener, also muss Betreuung organi­siert werden. Mich treibt die Sorge um, dass die Vereine davon ein Stück weit an die Wand gedrückt werden.

Alexander Becker in steter Ausein­an­der­set­zung mit seinem Vorbild Max Reger

Die Folge beider Entwick­lun­gen ist ein Konzen­tra­ti­ons­pro­zess einer­seits und ein Trend zu Spiel­ge­mein­schaf­ten mit kleinen bezie­hungs­wei­se indivi­du­el­len Beset­zun­gen auf der anderen Seite. Auffal­lend ist, dass die Leistun­gen vieler Orchester immer besser und besser werden. Sehr deutlich wird das bei Festivals und Wettbe­wer­ben. Das ist toll! Aber das Zupfor­ches­ter bishe­ri­ger Prägung – mit vier bis fünf Ersten Mando­li­nen, Zweiten Mando­li­nen, Mandolen, Gitarren und Kontra­bass – wird nicht mehr überall der selbst­ver­ständ­li­che Standard sein.
Das soll kein Lamento werden. Die Frage ist doch: Wird die Musik gepflegt? Haben Menschen Freude an der Musik? Wird das sinnvoll weiter­ver­mit­telt? Das sind die wesent­li­chen Fragen. Und da ist es entschei­dend, dass wir attrak­ti­ve, aktuelle und passende Literatur haben – für die bestehen­den Zupfor­ches­ter und für (Nachwuchs-)Ensembles unter­schied­lichs­ter Zusam­men­set­zung. Und dass wir als Verband unser wirklich gutes und vielfäl­ti­ges Fortbil­dungs­an­ge­bot weiter im Blick haben. Ich finde, das kann sich wirklich sehen lassen. Ebenso wie die Leistun­gen unserer Orchester und Ensembles!
Das Musikfest in Mannheim wird eine kleine „Nabel­schau“ unseres Landes­ver­bands werden. Ich freue mich sehr darauf und bin sicher, dass die Konzerte und Workshops auch neue und gute Impulse geben.

Alexander Becker vor einem Gemälde Max Regers

*Das Max-Reger-Insti­tu­t/El­sa-Reger-Stiftung ist ein musik­wis­sen­schaft­li­ches Forschungs­in­sti­tut mit umfang­rei­chem Archiv in Karlsruhe. Das Institut ist benannt nach Max Reger (Komponist und Organist) sowie seiner Frau Elsa Reger.

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